Stefánsson - Island Trilogie

Jón Kalman Stefánsson beschreibt in seinem dreibändigen Island-Roman die Entwicklung eine dörflichen Gesellschaft von der Mitte des letzten Jahrhunderts - von der Zeit der einen dörflichen Telefonleitung bis hin zum einsetzenden Tourismus. Der Erzähler lebte als Jugendlicher selbst in dem Ort und beschreibt die Ereignisse nun im Rückblick. Neben der eigentlichen Chronik werden immer wieder Passagen in die Erzählung eingestreut, in der der Erzähler über seine aktuellen Schwierigkeiten beim Schreiben berichtet.

Die Trilogie setzt sich aus drei Geschichten zusammen - „Gräben im Regen“ und „Der Sommer hinter den Hügeln“ im ersten Band sowie „Das Licht auf den Bergen“ im zweiten Band. Dabei sind der zweite und der dritte Teil von der zeitlichen Abfolge zwar ineinander verzahnt, legen aber unterschiedliche Schwerpunkte.

Im Anschluss an eine Islandreise gelesen kann man sich die dargestellten Charaktäre in der Landschaft so richtig gut vorstellen - ohne Bezug zum Land wird ein Teil des dargestellten Kolorits verloren gehen.

Zitate

„Einmal tauchte zum Beispiel ein Bus auf der Höhe auf.[..]Und als er am Hof vorüberrollte, sahen wir, die wir alle draußen standen, dass die Scheiben voll besetzt waren mit ausländischen Gesichtern 'Guckt mal, die haben sogar Fotoapparate!' rief ich. - Sich das vorzustellen: Nur wenige Wochen später wurden wir in einem weit entfernten Land entwickelt, in eine unverständliche Sprache hineingezogen, und merkwürdige Wörter bezeichneten isländisches Staunen.“

„Und hier in der Gegend gilt ein mündliches Versprechen noch etwas, der Verfall in Form schriftlicher Bestätigung hat noch keinen Einzug gehalten. Vielleicht ist die Straße zu holperig.“

„Man muss von der Hauptstraße abbiegen. Nicht auf asphaltierten Autobahnen dahinrasen, sondern abbiegen und den Staublindwurm aus der Schotterpiste entfesseln.“

„Die meisten fanden das Gleichnis von Petrus gut und schön, aber man könne doch nicht daran vorbeisehen, worauf der ehrenwerte Þórdur von Karlsstaðir bereits hingewiesen habe, dass sich all die netten Geschichten von Jesus und den Aposteln bei schönem Wetter abspielten.“

„Ein Mensch von heute zu sein und barfuß und barhaupt im Gras zu stehen, während ergiebiger Regen fällt, ist eine Erfahrung, die mindestens zehn Jahre Universitätsstudium aufwiegt und noch darüber hinausgeht.“

„Schaut zurück auf eure Wurzeln, denn die Erklärung für das, was in der Gegenwart vorgeht, findet ihr in der Vergangenheit.“

„Sölvi brach dieses Schweigegelübde wie jeden beliebigen morschen Stab. Er sah es sogar als seine Pflicht als Isländer an, derart mit einem auf den König abgelegten Eid umzugehen.“

„Es ist, wie gesagt, Frühling. Spät im Mai, und ein unvergleichlicher Zauber geht von ihm aus. Zum Beispiel steht auf einem Absatz über dem Hof ein Schaf und schaut gedankenverloren ins Unbestimmte, als ob es über etwas Besonderes nachdächte. Man geht nur rasch ins Haus, um ein Glas Milch zu trinken oder den anderen zu sagen, was einem gerade eingefallen ist, verschwindet nur eben für zwei, drei Minuten, und wenn man wieder hinauskommt auf den Hof, steht das Schaf da und schleckt zwei neugeborene Lämmer rein. In einer Minute ein Leben, in der nächsten drei. Das ist der Frühling. Es ist Ende Mai, und aus dem Winter ist die Luft heraus; erschöpft hat er sich in den Eisfeldern Grönlands zur Ruhe begeben.“

„'Es geht schon in Ordnung, Ideen zu klauen', sagte Þórdur. 'So ist einfach der Lauf der Welt, und immer wieder kommt es vor, dass Ideen ihre Anschrift ändern;[..]“

„Zwei Tage, bevor ich mit Starkaður cool in den Ort einfuhr, die Beatles sich noch jung im Kassettenrekorder drehten und noch keiner von ihnen gestorben war, da war aus Reykjavík ein roter Reisebus aufgebrochen, mit drei Dutzend deutschen Touristen an Bord, Busfahrer und Reiseleiter. Man fuhr zwischen Wasserfällen und heißen Quellen umher, Erdspalten und Gletschern, was ja soweit ganz nett ist, aber was sind Wasserfälle bei näherer Betrachtung anderes als Wasser, das irgendwo herabfällt, und heiße Quellen Wasser, das in die Höhe springt?“

„Es gibt keine Jahreswechsel, sie sind Fiktionen. Es gibt nur die Zeit, die verstreicht. Jahre und Jahrhunderte sind Ideen, die wir der Zeit übergestülpt haben, damit ihre Größe und Unendlichkeit uns nicht lähmt, damit wir sie ertragen können.“

„Man muss doch nicht andauernd etwas tun. Ist gar nicht gut fürs Herz, wenn man dauernd irgendwo eingespannt ist.“

„Geisteskrank, gesunde Vernunft, normales Verhalten - was heißt das schon? Begriffe, geprägt von den Vorurteilen welcher Zeit, welcher Kultur?“

lesen/stefislandtri.txt · Zuletzt geändert: 2011/09/13 11:22 von 127.0.0.1
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