Funktionen mit gegebenen Eigenschaften suchen

Jg. 12 Mathematik, Schuljahr 2003/2004

Vorgehensweise

  1. Aufstellen der gesuchten Funktionsgleichung in allgemeiner Form
    [z.B. f(x) ~=~ ax^6 + bx^5 + cx^4 + cdots], notieren der ersten und zweiten Ableitung
  2. Ermitteln der in der Aufgabe gegebenen Eigenschaften der Funktion, geordnet aufschreiben
  3. Überprüfen, ob die gegebenen Eigenschaften ausreichen: es müssen mindestens so viele Gleichungen aufgestellt werden wie Parameter zu bestimmen sind, ansonsten ist die Aufgabe nicht eindeutig lösbar! Andersherum betrachtet steht jede notwendige Bedingung für einen Parameter, d.h. wenn z.B. sechs unterschiedliche Bedingungen erfüllt sein müssen, muss es sich mindestens um eine Funktion 5. Grades handeln (bei Funktionen höheren Grades wären bei sechs vorgegebenen Bedingungen ein oder mehrere Parameter frei wählbar, s.o.)
  4. Zu den Bedingungen die Gleichungen (untereinander) aufstellen
  5. Das Gleichungssystem lösen.

Anmerkung

In der Mittelstufe beschäftigt man sich mit linearen Gleichungssystemen, die in der Regel nur zwei „Unbekannte“ haben - daran lernt man dann die Lösungsverfahren: Gleichsetzungs-, Einsetzungs- und Additionsverfahren.

Im Prinzip verbirgt sich hinter allen Verfahren der Gauß-Algorithmus zum Lösen linearer Gleichungssysteme.

Die Verfahren unterscheiden sich in den Formalismen, führen aber alle zum Ziel.

Das Additionsverfahren ermöglicht eine abkürzende Schreibweise, da es das Ergebnis mehrerer Umformungs- und Einsetzungsschritte direkt liefert.

Bei dem Aufgabentyp der Mittelstufe („zwei Gleichungen mit zwei Unbekannten“) kommt man mit allen drei Verfahren gleich gut zum Ziel, bei größeren Gleichungssystemen ist der Formalismus des Additionsverfahrens den anderen beiden vorzuziehen.

Additionsverfahren zum Lösen linearer Gleichungssysteme

Zum systematischen Lösen geht man am Besten wie folgt vor: Zunächst eliminiert man den letzten Parameter, indem man z.B. von der ersten Gleichung mit diesem Parameter nacheinander die anderen Gleichungen (oder Vielfaches der anderen Gleichungen), die diesen Parameter enthalten, abzieht.

Mit dem veränderten Gleichungssystem (die noch nicht in der Rechnung berücksichtigten Gleichungen und die umgeformten Gleichungen) geht man wieder so vor: von der Gleichung mit den meisten Parametern zieht man wieder die anderen Gleichungen ab, die auch den jetzt zu eliminierenden Parameter enthalten. Jetzt hat man schon zwei Parameter eliminiert. Man wird ab jetzt häufig nur noch mit den umgeformten Gleichungen weiterarbeiten - insgesamt sind es schon 2 Gleichungen weniger als am Anfang, die für das Lösen betrachet werden.

Das Eliminieren der Parameter wird fortgesetzt, bis nur noch eine Gleichung mit einem Parameter übrig geblieben ist. Hier kann dann der Wert dieses Parameters bestimmt werden. Mit diesem Wert kann dann der zweite Parameter aus einer der Gleichungen mit nur noch zwei Parametern bestimmt werden, dann der dritte usw. bis am Ende alle Parameter berechnet wurden.

Gerade bei größeren Gleichungssystemen kann die Rechnung einige Zeit in Anspruch nehmen - und es schadet nicht, das Ergebnis an Hand der Bedingungen zu überprüfen, um Rechenfehler auszuschließen.

Beispielaufgaben

Die Aufgaben sind dem im Kurs verwendeten Lehrbuch Elemente der Mathematik 12/13, Grundkurs Nordrhein-Westfalen, S. 11 - 13 (Schroedel) entnommen.

  1. Gesucht ist die Funktionsgleichung einer Parabel. O(0|0) und P(2|3) sind Punkte der Parabel, im Punkt P hat die Tangente die Steigung 2. (im Buch S. 11, Aufgabe 5 a)
  2. Gesucht ist eine Funktion minimalen Grades. P(1|0) und Q(3|2) sind Punkte des Funktionsgraphen, in beiden Punkten haben sowohl die erste als auch die zweite Ableitung den Wert 0. (im Buch S. 13, Aufgabe 12 b)

Musterlösung

Zur ersten Aufgabe:

Gesucht ist eine Parabel, also lautet die allgemeine Funktionsgleichung f(x) ~=~ ax^2~+~bx~+~c , die erste Ableitung f prime (x) ~=~ 2ax~+~b. Zu bestimmen sind drei Parameter, a, b und c, also werden auch drei Bedingungen benötigt, aus denen sich dann die Gleichungen des Gleichungssystems ergeben (die alle gemeinsam erfüllt sein müssen, daher die Formulierung „(I) und (II) und (III)“):

Bedingungen im Text übersetzt in Gleichungen

  Punkt O(0|0):     f(0) = 0    <=>    0 = c             (I) und
  Punkt P(2|3):     f(2) = 3    <=>    3 = 4a + 2b + c   (II) und
  in P Steigung 2:  f '(2) = 2  <=>    2 = 4a + b        (III)

Aus der ersten Bedingung ergibt sich direkt c = 0, also hat man mit Gleichung II und III nur noch ein Gleichungssystem mit zwei unbekannten Parametern. Wendet man nun das Additionsverfahren an, so erhält man:

  II-III: (3-2) = (4-4)a + (2-1)b , zusammengefasst 1 = b

Jetzt muss man nur noch b in z.B. III einsetzen, und erhält damit für a den Wert a = 1/4. Die gesuchte Funktionsgleichung lautet also f(x) ~=~ 3/4 x^2~+~ x.

Zur zweiten Aufgabe:

Angegeben sind sechs Bedingungen, also muss die gesuchte Funktionsgleichung mindestens den Grad 5 haben: f(x) ~=~ ax^5 + bx^4 + cx^3 + dx^2 + ex + f

Bedingungen übersetzt in Gleichungen1) Punkt P(1|0): f(1) = 0 ⇔ 0 = a + b + c + d + e + f (I) und

Punkt Q(3|2): f(3) = 2    <=> 2 = 243a+81b+27c+9d+3e+f   (II) und
in P 1.Abl.0: f '(1) = 0  <=> 0 = 5a + 4b + 3c + 2d + e  (III) und
in Q 1.Abl.0: f '(3) = 0  <=> 0 = 405a+108b+27c+6d+e     (IV) und
in P 2.Abl.0: f ''(1) = 0 <=> 0 = 20a + 12b + 6c + 2d    (V) und
in Q 2.Abl.0: f ''(3) = 0 <=> 0 = 540a + 108b + 18c +2d  (VI)

Nach dem oben angegebenem systematischen Vorgehen sollte man zunächst den Parameter f eliminieren. Da dieser nur in den Gleichungen (I) und (II) auftaucht, zieht man diese voneinander ab:

II-I: 2 = 242a + 80b + 26c + 8d + 2e
  <=> 1 = 121a + 40b + 13c + 4d + e (I*)

Durch äquivalentes Umformen verändert man die Lösungsmenge nicht, daher dürfen die erhaltenen Gleichungen mit einem beliebigem Faktor multipliziert werden, hier 0,5.

Das weiter zu betrachtende Gleichungssystem besteht jetzt aus den Gleichungen (I*), (III), (IV), (V) und (VI). Davon enthalten (I*), (III) und (IV) den Parameter e, also werden alle drei verwendet, um zwei neue Gleichungen mit nur noch den vier Parametern a, b, c und d zu erhalten:

  I* - III:   1 = 116a + 36b + 10c + 2d     (II*)
  IV - I*:   -1 = 284a + 68b + 14c + 2d     (III*)

Im folgenden betrachten wir also das Gleichungssystem aus den Gleichungen (II*), (III*), (V) und (VI), um den Parameter d zu eliminieren und drei Gleichungen mit den drei Unbekannten a, b und c zu erhalten:

  II*-V:      1 = 96a + 24b + 4c      (IV*)
  VI - II*:  -1 = 424a + 72b + 8c     (V*)
  VI - III*:  1 = 256a + 40b + 4c     (VI*)

Und weiter geht's mit den Gleichungen (IV*), (V*) und (VI*):

  VI* - IV*:     0 = 160a + 16b   <=>   0 = 10a + b     (I**)
  2(VI*) - V*:   3 = 88a + 8b                           (II**)

Zwei Gleichungen mit zwei Unbekannten sind erreicht - die sollten kein Problem mehr darstellen:

  II** - 8(I**):   3 = 8a   <=>   a = 3/8 bzw. a = 0,375

Das Ende ist in Sicht! Hat man den ersten Parameter bestimmt, so findet man die übrigen durch „Rückwärts einsetzen“: b durch einsetzen von a in z.B. ( I** ), c dann durch einsetzen von a und b in z.B. (IV*) usw. Als Lösung ergibt sich dann:

a = 3/8 ~~~   b = -15/4 ~~~  c = 55/4 ~~~  d = -45/2 ~~~  e = 135/8 ~~~  f = -19/4

Die gesuchte Funktionsgleichung lautet also:

f(x) ~=~ 3/8 x^5 - 15/4 x^4 + 55/4 x^3 - 45/2 x^2 + 135/8 x - 19/4 bzw.

f(x) ~=~ 0,375 x^5 - 3,75 x^4 + 13,75 x^3 - 22,5 x^2 + 16,875 x - 4,75

1)
So eine Aufgabe ist, wenn man das Verfahren beherrscht, mehr eine Konzentrations- als eine mathematische Leistung. Mit Derive wäre es einfach mehr Tipparbeit ;-)
schule/ma/regelns2/ana/steckbrief.txt · Zuletzt geändert: 2018/06/09 11:54 von ahrens
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