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Reaktionsmechanismus: Elektrophile Addition
Der Mechanismus der elektrophilen Addition erklärt, wie die Reaktion einer ungesättigten Verbindung mit einem zweiten Molekül abläuft. Die Mehrfachbindung ist durch die dort vorhandene hohe Elektronendichte das reaktive Zentrum, das angreifende Teilchen muss elektronenliebend, also elektrophil sein. Elektrophile Teilchen sind z.B. alle Halogene, Halogenwasserstoffe und auch Wasser.
Die einzelnen Schritte erläutert
Der Mechanismus der elektrophilen Addition verläuft immer in drei Schritten:
- Annäherung des angreifenden Teilchens an die Doppelbindung, Polarisierung der Bindung im angreifenden Teilchens durch die Elektronenwolke der Doppelbindung, Ausbildung von Partialladungen im angreifenden Teilchen (
-Komplex)
- Trennung des angreifenden Teilchens in Ionen, das Kation lagert sich an die Doppelbindung an und bildet einen positiv geladenen
-Komplex.
- Das Anion greift den
-Komplex von der Rückseite her an und bildet eine Einfachbindung aus
Beispiel 1: Elektrophile Addition von Brom an Cyclohexen
Cyclohexen + Brom → 1,2-Dibromcyclohexan
C6H10 (l) + Br2 (g) → C6H10Br2 (l)
In Schritt 2 bildet sich hier das Bromonium-Kation, d.h. der -Komplex erstreckt sich über die beiden Kohlenstoffatome der Doppelbindung und das mittig angelagerte Brom-Kation, die positive Ladung ist auf die drei Atome verteilt.
Durch die Bildung des trans-1,2-Dibromcyclohexan in Schritt 3 ist der Rückseitenangriff des Bromidions auch experimentell belegt. Man kann den Rückseitenangriff auch dadurch begründen, dass das Bromatom im Bromoniumkation weiterhin elektronnegativ ist und damit die C-C-Bindung von oben gegen weitere Angriffe abschirmt1).
Die Jmol-Darstellung funktioniert nicht, da das Update auf Jsmol noch nicht erfolgt ist.
Brom-Angriff an Cyclohexen <jmol cyclohexen-bromangriff.mol>jmolScript(„dots on;“);</jmol> |
Cyclohexan-Bromonium-Kation <jmol bromonium-cyclohexan.mol></jmol> |
trans-1,2-Dibromcyclohexan <jmol dibromcyclohexan.mol></jmol> |
Beispiel 2: Elektrophile Addition von Chlor an Propen
Die Anlagerung von Chlor an die Doppelbindung im Propen verläuft fast genau so wie die Anlagerung von Brom an die Doppelbindung im Cyclohexen. Im ersten Schritt wird das Chlormolekül durch die Doppelbindung polarisiert (-Komplex, 1), im zweiten bildet sich ein Kation (
-Komplex) und im dritten Schritt bildet sich die zweite C-Cl-Einfachbindung aus.
Der wesentliche Unterschied liegt in der stärken Elektronnegativität des Chloratoms. Dieses wird die Elektronen der sich auflösenden Doppelbindung deutlich stärker anziehen als ein Kohlenstoffatom, daher ist die Bildung des Chloroniumions (2a) nicht so wahrscheinlich wie die Bildung eines Carbeniumions (2b).
Sollte sich ein Chloroniumion bilden, wird das Chloratom daher auch keinen symmetrischen -Komplex bilden, sondern eine C-Cl-Bindung im Chloroniumion wird deutlich kürzer (und damit stärker) sein als die andere. In jedem Fall wird das zuerst angelagerte Chlor-Kation die stärke Bindung mit dem Kohlenstoffatom bilden, das mehr Wasserstoffatome trägt (Markownikow-Regel), da die Methylgruppe die positive Ladung am anderen Kohlenstoffatom stabilisiert.
Beide Kationen bilden dann mit dem Chlorid eine weitere C-Cl-Bindung aus, es bildet sich 1,2-Dichlorpropan.
Wäre wieder Cyclohexen der Ausgangsstoff gewesen, hätte man hier jetzt zwei mögliche Produkte: cis-1,2-Dichlorcyclohexen und trans-1,2-Diechlorcyclohexen. Aus dem Chloroniumion muss sich zwangsläufig die trans-Variante mit gegenüberliegenden Chloratomen bilden, da das Chlorid nur von der Unterseite her angreifen kann. Aus dem Carbeniumion kann sich aber auch die cis-Variante mit gleichseitigen Chloratomen bilden, da beim Carbeniumion die reaktive Stelle nicht von einer Seite abgeschirmt wird.
Beispiel 3: Elektrophile Addition von Chlorwasserstoff an Ethin
C2H2 + 2 HCl → C2H3Cl + HCl → C2H4Cl2
Bei der Anlagerung von Chlorwasserstoff an Ethin entsteht in der ersten Teilreaktion Chlorethen2) (3). Im der zweiten Teilreaktion ist das aufnehmende Molekül nicht mehr symmetrisch, hier können also theoretisch zwei Produkte entstehen: 1,1-Dichlorethan (6a, Markownikow-Produkt) und 1,2-Dichlorethan (6b, Anti-Markownikowprodukt).
Im Vergleich zur Bromaddition im ersten Beispiel ist zunächst zu beachten, dass das angreifende Molekül, HCl, schon von sich aus polarisiert ist. Daher ist zu erwarten, dass sich der -Komplex leichter bilden kann. Im zweiten Schritt kann sich, auch bedingt durch die Größe des abgespaltenen Wasserstoffprotons, kein Dreiring bilden. Das Proton lagert sich an das eine Kohlenstoffatom der Mehrfachbindung an, die positive Ladung bleibt am zweiten Kohlenstoffatom - es bildet sich ein Carbeniumion (Carbokation). Dieses bildet dann mit dem freien Chlorid im dritten Schritt eine Elektronenpaarbindung aus.
In der zweiten Teilreaktion hat das Wasserstoffproton dann die Wahl: Anlagerung an die CH2-Gruppe oder Anlagerung an die CHCl-Gruppe? Nach der Markownikow-Regel soll sich das Wasserstoffproton immer an das C-Atom mit der höheren Anzahl an Wasserstoffatomen anlagern. Für eine Verbindung wie 1-Propen gilt das auch, da die Methylgruppe am zweiten Kohlenstoff das entstehende Kation stabilisieren kann. Folgt man der Regel, würde hier bevorzugt 1,1-Dichlorethan entstehen.
ABER: Im Gegensatz zur Bindung des Kohlenstoffatoms an die Methylgruppe ist die C-Cl-Bindung leicht polar, d.h. der Kohlenstoff trägt schon eine positive Partialladung. Dadurch ist das CHCl-Carbeniumion weniger stabil als das CH2-Carbeniumion - die Doppelbindung spaltet sich also so, dass die positive Ladung an der CH2-Gruppe bleibt und das Elektronenpaar mit dem Wasserstoffproton eine die CH2Cl-Gruppe bildet. Dadurch bildet sich im dritten Schritt der zweiten Teilreaktion bevorzugt 1,2-Dichlorethan (6b).
Im direkten Vergleich der drei genannten Carbeniumionen lässt sich festhalten, dass die Stabilität in der folgenden Reihenfolge abnimmt:
CCH + » CH2 + » ClCH +
Die Methylgruppe kann durch den positiven induktiven Effekt (+-I-Effekt) Elektronendichte in Richtung des Carbeniumions schieben und dieses dadurch stabilisieren, das gebundene Chloratom entzieht dem Carbeniumion durch den -I-Effekt (hohe Elektronegativität von Chlor) dagegen Elektronendichte, das Carbeniumion wird instabiler.
Dadurch entsteht bei der Anlagerung von Chlorwasserstoff an 1-Propen überwiegend das Markownikow-Produkt, 1-Chlorpropan, bei der Anlagerung an Chlorethen aber überwiegend das Anti-Markownikowprodukt, 1,2-Dichlorethan.
Beispiel 4: Elektrophile Addition von Brom an Ethen in gesättigter Natriumnitrat-Lösung
Der erste und zweite Schritt der Reaktion, bis zur Bildung des Bromoniumions, verläuft wie bei der Reaktion von Ethen mit elementarem Brom. Im dritten Schritt konkurriert aber das abgespaltene Bromid mit den Wassermolekülen und den in der Lösung vorhandenen Nitrationen (bei einer gesättigten Lösung kommen auf ein Nitration im Schnitt 5,5 Wassermoleküle - ein Teil der Wassermoleküle ist aber auch als Hydrathülle an die Natriumionen angelagert). Die Nitrationen werden im Vergleich zum Wasser bevorzugt reagieren, da sie echt negativ geladen sind, der Sauerstoff im Wassermolekül aber nur eine negative Partialladung trägt. Durch die deutlich höhere Konzentration der Nitrationen im Vergleich zu den Bromidionen ist es ist es wahrscheinlicher, dass die Nitrationen im dritten Schritt angelagert werden und sich das Produkt Bromethylnitrat bildet (3c). In deutlich kleineren Anteilen wird sich im Reaktionsgemisch aber auch 2-Bromethan-1-ol (3a) und 1,2-Dibromethan (3b) bilden.
Durch den Einsatz von Bromwasser anstelle von Brom wird die Reaktion beschleunigt, da die polaren Wassermoleküle die Brommoleküle schon etwas polarisieren. Der Salzzusatz verstärkt diesen Effekt noch.
Die Jmol-Darstellung funktioniert nicht, da das Update auf Jsmol noch nicht erfolgt ist.
2-Bromethan-1-ol (3a) <jmol bromethanol.mol></jmol> |
1,2-Dibromethan (3b) <jmol dibromethan.mol></jmol> |
Bromethylnitrat (3c) <jmol bromethylnitrat.mol></jmol> |
Hinweis zu den Molekülmodellen
- Klick mit der linken Maustaste auf die Abbildungen, Maus bewegen: Das Molkül lässt sich drehen.
- Klick mit rechter Maustaste auf die Abbildungen: öffnet ein Menü mit Einstellmöglichkeiten, z.B.
- Surfaces > Dot Surface : Erzeugt die van-der-Waals-Oberfläche in Pünktchen-Form
- Style > Schema >
- CPK Spacefill : Kalottenmodell
- Drahtgitter: Stäbchenmodell
Herumspielen und Ausprobieren erlaubt und erwünscht.
— Jmol: an open-source Java viewer for chemical structures in 3D. http://www.jmol.org/
— Berechnungen mit Avogadro: an open-source molecular builder and visualization tool. Version 1.0.3 http://avogadro.openmolecules.net/
Visualisierung im WWW
http://www.chemiekiste.de/Chemiebox/Bromadd.htm (benötigt Flash)
http://www.schulchemie.de/amannrm2.htm (benötigt Flash)
Weitere Animationen
http://www.youtube.com/watch?v=YT9tLcR9qg4&NR=1
http://www.youtube.com/watch?v=EWOvFAu8FmA&feature=related Markownikow-Regel
Übungen ...
finden sich im WWW z.B. hier: http://chemie-lernprogramme.de/daten/html/mechanismer.html
Damit das dort vorgestellte Programm genutzt werden kann, muss noch Python als Interpreter installiert werden: http://www.python.org/downloads